Psychologie politischer Reden und Kommunikation

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Politische Psychologie: Denkorientierungen und Denkmuster von Führenden in der Politik

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CMC Forschungsprojekt WORTSTROM

Tabellen

Einführung

 

Im Rahmen des Forschungsprojekts WORTSTROM interessieren wir uns für das, was wir als (psychologische, politische) Denkorientierungen (Denkmuster, Denkrichtungen, etc.) bezeichnen. Die Begriffe umfassen „rein“ rationales Denken (wie z.B. Problemlösen, Planen) ebenso wie (latente Wert-) Überzeugungen, Glaubensinhalte, etc. wie auch die stimmungsmäßigen und emotionalen Anteile, die mit kognitiven Aktivitäten (wie z.B. Vorstellungen, Erinnerungen, Wahrnehmungen, Vorurteile, Intuitionen, Verdrängungen, etc.) einhergehen. Dabei unterscheiden wir zunächst einmal zwischen thematischen und stilistischen Denkorientierungen.

 

Thematische Denkorientierungen sind in der Psychologie seit langem recht gut erforscht. Je nachdem welche psychologische Forschungstradition man betrachtet, findet man unterschiedliche Begrifflichkeiten bzw. theoretische Konzepte: u.a. …

 

 

Mit dem Terminus stilistische Denkorientierungen beziehen wir uns auf kognitionspsychologische Forschungstraditionen, in denen weniger die inhaltlich-thematische Ausrichtung des Denkens interessiert, sondern die Art und Weise des Denkens (eben der generelle Denkstil, die kognitive Stilistik) im Vordergrund der Betrachtung steht. Auch hier einige Beispiele für theoretische Konstrukte: u.a. …

 

 

Für die Messung solcher Variablen dominieren in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften die unterschiedlichsten und eine kaum mehr überblickbare Anzahl von Test- und Befragungsverfahren. In den letzten Jahren mehren sich allerdings (wieder) die Bemühungen, solche (Persönlichkeits- und Verhaltens-) Konstrukte auf der Grundlage von sprachlich-kommunikativen „Daten“ - also letztlich auf der Basis von Inhalts- bzw. Textanalysen - zu erfassen. Vor diesem Hintergrund ist die Zielsetzung unserer Arbeit zu sehen:

 

Es geht darum, die thematischen und stilistischen Denkorientierungen eines Politikers (oder einer Gruppe von Politikern) empirisch-inhaltsanalytisch zu erfassen - und zwar auf der Grundlage von politischen Reden. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich diese Denkorientierungen quasi in dem äußern (offenbaren), was der oder die Politiker kommunizieren bzw. kommuniziert haben - genauer gesagt: welche Worte/Ausdrücke sie in ihren Reden wählen bzw. gewählt haben.

 

Politische Akteure - insbesondere die in der Spitze - gehören in fast allen Gesellschaften zu den am meisten beachteten Personen. Dementsprechend vielfältig sind auch die öffentlichen Berichte, „Analysen“, Spekulationen, Mutmaßungen über ihre politischen Absichten, Motive, ihre „Persönlichkeit“, etc., die aus unserer Sicht häufig geprägt sind von den politischen Intentionen und Weltanschauungen der jeweiligen Autoren/Medien.

 

In Anbetracht dessen halten wir eine „intersubjektiv nachvollziehbare Deskription“ des Denkens von Politikern nicht nur für erforderlich, sondern auch im besten Sinne für „aufklärend“. Darin sehen wir u.a. auch den Wert unserer Studien. Es geht also zunächst einmal darum, sich dem Denken von politischen Akteuren mit Hilfe nachvollziehbarer verhaltenswissenschaftlicher Methoden zu nähern - also um eine Beschreibung und (noch) nicht um eine Bewertung - etwa im Sinne einer „Politik- oder Ideologiekritik“.

 

Gesamthaft gesehen betrachten wir unsere Arbeiten als einen Beitrag zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen (politischer) Sprache bzw. Komunikation und (politischer) Persönlichkeit (im weitesten Sinne), denn Denkorientierungen/Denkmuster sind nach unserer Auffassung ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit - und damit auch ein Kernthema der politischen Psychologie.

 

 

Redner und Redenschreiber

 

Kommen wir abschließend zu einem Argument, das wir im Zusammenhang mit unserer Arbeit immer wieder hören:

 

Insbesondere psychologisch-politisch gebildete Gesprächspartner verweisen uns darauf, dass politische Reden sehr häufig und gerade bei Spitzenpolitikern - nicht von ihnen selbst - sondern von Redenschreibern, ja in manchen Fällen bei besonders wichtigen Reden von ganzen Berater-Teams konzipiert und fomuliert werden - und insofern ein Schluss auf die Denkorientierungen des betreffenden Politikers unzulässig oder zumindest „schief“ wäre. Pointiert ausgedrückt: Was wir möglicherweise messen würden, wären bestenfalls die Denkorientierungen der Redenschreiber.

 

Wir geben zu, dass uns dieses Argument am Anfang des Projekts irritiert und in unseren Vorhaben verunsichert hat, denn es ist letzlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Nach einigen Jahren der Analyse politischer Kommunikation von Spitzenpolitikern stehen wir allerdings diesem Argument inzwischen „gelassener“ gegenüber. Die Gründe:

 

 

David G. Winter, ein renomierter amerikanischer Motivationsforscher, der sich ebenfalls seit Jahren mit der Analyse politischer Reden auseinandersetzt, schreibt in diesem Zusammenhang:

 

„One could ask whose motives are measured by this procedure (or any other content analysis) - those of the speaker or motives of the speechwriters. While speechwriters may draft the words and images, leaders select speechwriters and edit their work; good speechwriters know how to adapt to the goals and style of their clients …“ (2005, 560).

 

Auch wenn die angeführten Gegenargumente nicht jeden Kritiker vollends überzeugen (können), kommt Winter nach einem Resümee seiner langjährigen Forschungsarbeiten über die Inhaltsanalyse von motivationalen Orientierungen in den Reden von Spitzenpolitikern zu einer klaren Schlussfolgerung:

 

„To summarize the first important lesson from the study of political leaders: they can be studied at a distance, and the technique of content analysis can even liberate us from some of the common problems of measurement in more mainstream personality research“ (2005, 566).